Gemeindepräsident Daniel Albertin
Von Hoffnung, Solidarität und Freundschaft
Mit dem Abschluss der Evakuierung von Brienz/Brinzauls am vergangenen Freitagabend ist mir und wohl der gesamten Krisenorganisation ein grosser Stein vom Herzen gefallen. Zwar bedroht die Insel das Dorf, aber es sind keine Menschen, Haus- und Nutztiere mehr in Brienz/Brinzauls.
Die Evakuierung bedeutet für die Betroffenen eine grosse Belastung. Ihr Leben wird auf den Kopf gestellt und sie wissen nicht, wie lange dieser Zustand anhalten wird. Heimweh macht sich breit – und die bange Frage, ob die abbrechende Insel das Dorf beschädigen oder verschonen wird.
Die Ungewissheit über die Zukunft ist die grösste Belastung für die Betroffenen. Die Zuversicht, dass es wohl nicht so schlimm werden wird, weil ja auch in der Vergangenheit nie etwas Schlimmes passiert ist, ist aus vielen der Köpfe und Herzen der Brienzerinnen und Brienzer gewichen.
Dennoch gibt es Hoffnung: Hoffnung darauf, dass die Insel in vielen Teilabbrüchen kommt und dass das Dorf nicht beschädigt werde. Hoffnung darauf, dass die Gemeinde mit all ihren Einwohnern, der Kanton, der Bund und die Versicherungen die Betroffenen nicht alleinlassen werden. Und Hoffnung darauf, dass – komme was wolle – Familien und Freundschaften intakt bleiben und den Betroffenen als persönliche Netzwerke helfen, das Heute zu überstehen und das Morgen anzupacken.
«Wir werden Sie nicht alleinlassen», habe ich den Brienzerinnen und Brienzern vor einigen Wochen versprochen. Die Gemeinde, der Kanton und ihre Partnerorganisationen setzen mit ihrer gemeinsamen Einsatzorganisation alles daran, Brienz/Brinzauls, seine Bevölkerung und die Region umsichtig durch diese Krisensituation zu führen. Im Zentrum aller Massnahmen stehen dabei die Betroffenen der Krise. Sie sollen geschützt, betreut und vor vermeidbarem Schaden bewahrt werden.
Der Brienzer Rutsch liegt im Herzen von Graubünden. Neben den schwer betroffenen Bewohner:innen von Brienz/Brinzauls und den vielen Stammgästen, die zusammen mit den Einheimischen um ihr Lieblingsdorf in den Bergen bangen, wird auch die weitere Bevölkerung der Gemeinde und der Region in die Krise gezogen. Spätestens wenn die Phase BLAU begonnen werden muss, wird der ganze Kanton spüren, dass in seinem Herzen ein paar der wichtigen Gefässe verstopft sind.
Zusammen mit unseren Partnerorganisationen versuchen wir alles, die Auswirkungen der Phase BLAU so gering wie möglich zu halten. Dennoch wird die Sperrung wichtiger Verkehrswege für Pendlerinnen und Pendler, Lieferanten, lokale Betriebe und Durchreisende einschneidende Nachteile mit sich bringen.
Wie lange eine solche Sperrung andauern wird und ob sie sich (mehrfach) wiederholen wird, können wir im Augenblick noch nicht sagen. Ich kann nur versprechen, dass wir alles daransetzen, sie so kurz wie möglich zu halten. Aber wie die Brienzerinnen und Brienzer werden sich auch die Verkehrsteilnehmer:innen in den kommenden Wochen und Monaten in Geduld üben müssen.
Ich rufe alle Verkehrsteilnehmer:innen auf, sich auf die möglichen Sperrungen vorzubereiten. Klären Sie, wo Sie bei Sperrungen übernachten können, ohne den weiten Umweg über Landquart oder das Engadin fahren zu müssen. Fragen Sie Kollegen, Freundinnen und Ihre Unternehmen, ob sie Ihnen in dieser Ausnahmesituation aushelfen können. Und halten Sie sich immer vor Augen, dass wir die Sperrungen nur im Interesse Ihrer Sicherheit verfügen werden.
«Graztga figt – vielen Dank! Das Schicksal von Brienz/Brinzauls bewegt den Kanton und die Schweiz. Aus allen Talschaften erreichen uns Botschaften, die uns Mut machen. Der Kanton, zahlreiche Gemeinden, Unternehmen und Private spenden Geld, mehr als 160 Wohnungen wurden uns für die Evakuierten angeboten, die Nachbargemeinden helfen, wo es nur geht und zahllose Einheimische leisten Einsätze in ihren Milizorganisationen. Ihnen allen sage ich «Graztga figt – vielen Dank! Eure Bereitschaft, zu helfen rührt uns und die Betroffenen und sie ist uns sehr wichtig!»
Wir werden diese Krise gemeinsam meistern. Denn wir haben keine Wahl: nur in der Gemeinschaft kann man eine solche Lebenssituation durchstehen. Ich wünsche Ihnen in diesen schweren Tagen viel Geduld und die Zuversicht, dass Ihr Leben auch dann weitergehen wird, wenn «Igl Rutsch» ihrem Heimatdorf etwas antun sollte.
Ich wiederhole mein Versprechen: Wir werden Sie nicht alleinlassen.
Daniel Albertin
Gemeindepräsident Albula/Alvra
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